Samstag, 18. Oktober 2008

Aufgerieben zwischen Lifestyle und Sport - NZZ 18.10.2008, Nr. 244, S. 64



Machtspiele im Verband und rückgängige Umsatzzahlen verunsichern die Schweizer Inlineskater. Die Rückgabe der für 2009 hierzulande vorgesehenen Inlineskating-WM an den Weltverband brachte das Fass zum Überlaufen.

Jan Mühlethaler

Aufgerieben zwischen Lifestyle und Sport
Die Rückgabe der für 2009 in der Schweiz vorgesehenen Inlineskating-WM an den Weltverband hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Vereine werfen Rollsport Suisse und dessen Präsidenten Coni Altherr unprofessionelles Handeln vor. Auch der Dachverband Swiss Olympic macht Druck und fordert, sich zugunsten der Sache zusammenzuraufen.

«Die Begeisterung ist nicht mehr da», sagt Coni Altherr. Der Präsident von Rollsport Suisse gilt als Begründer der Inlineskating-Szene in der Schweiz. Nun aber tut er sich schwer. Nicht allein mit dem Umstand, dass die Sportart, die auf ihrem Höhepunkt im Jahr 1996 400 000 Paar Skates im Gesamtwert von 60 Millionen Franken umsetzte, ins Strudeln geraten ist. Nach Erhebungen des Marktforschungsinstituts IHA-GfK lag das Marktvolumen im vergangenen Jahr noch bei 140 000 Paar und 21 Millionen Franken - Tendenz sinkend. Altherr, der Inlineskating immer als Sport und Lifestyle zu positionieren versuchte, gerät auch innerhalb der Bewegung unter Druck. Vor allem in den ehrenamtlich geführten Klubs rumort es seit längerem. Auch darum, sagen Szenenkenner, weil Altherr, der Visionär, zu spät realisiert habe, dass die Bereiche Kommerz und Sport nicht in der Zuständigkeit der gleichen Person liegen dürfen.

Vermarktung stockt
Kommerziell ausgerichtet ist die einst von Altherr gegründete Marketingagentur Iguana Think Tank AG mit Sitz in Schindellegi, die vor drei Jahren an die in der Stadt Zürich domizilierte Global Sports Group Ltd. verkauft wurde. Gründer und Verwaltungsratspräsident der Gruppe ist Heinz Schurtenberger, der ehemalige CEO des 2001 in Zug in Konkurs geratenen ISL/ISMM-Konglomerats. Dieser beschäftigte Altherr nach der Übernahme der Firma noch bis vor kurzem. Schurtenberger, der sich im Frühjahr vor dem Zuger Strafgericht in Zusammenhang mit dem ISL/ISMM-Konkurs zu verantworten hatte und in sämtlichen Anklagepunkten freigesprochen wurde, kaufte die Marketingagentur Altherrs mit der Idee, Inlineskating weiterführend zu vermarkten und damit Geld zu verdienen. Gelungen sei dies bisher nicht, sagt Schurtenberger im Gespräch mit der NZZ.

Die Iguana Think Tank AG besitzt die Rechte am Swiss Inline Cup sowie am World Inline Cup, der im September mit dem Marathon in Berlin zu Ende ging. Derweil die Zürcher Marketingagentur Cate-e-Motion, an der die Global Sports Group eine Beteiligung hält, Sponsoren für die nächstjährige Austragung des Swiss Inline Cup sucht, brodelt es auf Verbandsebene. Rollsport Suisse, ein Konstrukt von Swiss Olympic, sollte hierzulande sämtliche Interessen auf Rollen vereinen. Doch bisher vermochte Altherr, einerseits Vermarkter von Inlineskating, anderseits Verbandspräsident von Rollsport Suisse, den Vorstellungen von Swiss Olympic nicht zu genügen. Die Interessen der Sportarten (u. a. Inlineskating, Rollkunstlaufen), die der Bewegung angehören, sind offenbar zu verschieden.

Martin Rhyner, bei Swiss Olympic für Rollsport Suisse zuständig, sagt, die angeschlossenen Sportarten beziehungsweise deren Vertreter müssten bis Ende Oktober schriftlich Stellung beziehen, wie es mit dem Pilotprojekt weitergehen soll. Der Dachverband, der allein die Inlineskater mit rund 50 000 Franken pro Jahr unterstützt, will nur mehr einen Ansprechpartner - und nicht fünf verschiedene, die teilweise nur marginale Bedeutung haben. Hierfür müssten auch die Kassen zusammengelegt werden, betont Rhyner - ein offensichtlich nicht einfaches Unterfangen. Er geht gar einen Schritt weiter und stellt Sanktionen in Aussicht, sollten sich die verschiedenen Rollsportarten nicht zusammenraufen. «Dann würden wir Rollsport Suisse nicht mehr als Mitgliedverband anerkennen», sagt Rhyner. Das würde bedeuten, dass auch die Inlineskater ohne Unterstützung seitens von Swiss Olympic blieben.

«Der Verband steht still»
Das wiederum kann den Klubs nicht egal sein. Sie begannen dieses Jahr denn auch zunehmend Kritik an Rollsport Suisse - und damit auch am Verbandspräsidenten Altherr - zu äussern. «Der Verband steht still», sagt ein langjähriger Funktionär aus der Zentralschweiz. Auch andere Verbandsmitglieder zweifeln die Fähigkeit von Rollsport Suisse an, der vor geraumer Zeit ins Stocken geratenen Bewegung die nötigen Impulse zu vermitteln. Die Branche ihrerseits bemängelt die ungenügende Etablierung des Wettkampfsports beziehungsweise die zu wenig gefestigten Verbands- und Vereinsstrukturen. Die Hoffnung war gross, mit dem Schub der Heim-WM 2009 den Markt neu zu beleben. Doch daraus wird offenbar nichts, wie Altherr Anfang September per Rundschreiben mitteilte. Die gesteckten Ziele - «(. . .) wir wollten eine Budgetgarantie über 2,5 Millionen Dollar (inklusive Bauten) erhalten» - waren zu hoch. Rhyner spricht derweil rückblickend von Erwartungen, die «aus Sicht von Swiss Olympic immer viel zu gross waren».

Altherr weiss derzeit nicht, welche Rolle er in Zukunft spielen soll. An einer auf den 8. November einberufenen ausserordentlichen Delegiertenversammlung sollen die Vereine angehört werden - auch um die gegenseitigen Beschuldigungen auszudiskutieren, die nach der Rückgabe der in Weinfelden und Zürich geplant gewesenen Weltmeisterschaften an den Weltverband kursieren. Altherr ist weiterhin der Ansicht, Inlineskating habe trotz fehlender Zugehörigkeit zu Olympia eine Zukunft. Doch er übt auch Selbstkritik. «Mein Fehler war die Kommunikation in den vergangenen zwölf Monaten», sagt er. Als Präsident von Rollsport Suisse will Altherr aber vorderhand nicht zurücktreten. Sport und Lifestyle - die beiden Fundamente, auf denen Inlineskating gebaut sei - hätten sich entzweit. Hier liege das Grundübel.

Chaos am Swiss Inline Cup?
Die Rollsport Suisse angeschlossenen Klubs weisen stagnierende Mitgliederzahlen auf. Sie fordern in erster Linie mehr Professionalität. Die Rennen, die zum Swiss Inline Cup zählen, seien zum Teil chaotisch verlaufen, ist zu hören. Diesen Vorwurf weist Altherr, der sich am Freitag per Mail aus seinem Amt als Präsident des World Inline Cup verabschiedet hat, zurück. Es liegt jetzt an der Global Sports Group und deren Verwaltungsratspräsidenten Schurtenberger, das verloren gegangene Vertrauen wiederzugewinnen. Sonst wird die Basis dem kommerziellen Produkt Swiss Inline Cup, der dank der Inline-Klubs leichter an die mit Lotteriegeldern geäufneten Subventionstöpfe der Kantone kommt, die Freundschaft künden. Dann hätte auch die Iguana Think Tank AG, die Anstrengungen anzustellen scheint, die WM 2009 mit einem schlankeren Budget in die Schweiz zurückzuholen, ein Problem. Und mit ihr die ganze Bewegung, die vor über zehn Jahren als Trendsport den Markt belebte, mittlerweile aber Gefahr läuft, durch Selbstverschulden weiter an Boden zu verlieren.

Kasten:
«Mein Fehler war die Kommunikation in den vergangenen zwölf Monaten.»
Coni Altherr, Präsident Rollsport Suisse
Quelle: NZZ 18.10.2008, Nr. 244, S. 64

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